Joe Haider füllt ein mehr als spannendes Kapitel im Buch der deutschen Jazzgeschichte aus. Ein Markstein ist der Kauz am Piano in jeder Hinsicht. Aber einer, der meist übersehen, respektive überhört wurde. Ist er auch ein Innovator? Wenn man die Auffassung vertritt, die eigentliche Innovation dieser Tage liege darin, sich unbeugsam der überdimensionalen Greifarme des Zeitgeistes zu erwehren, dann schon. Und ein Vorbild? Musikalisch in jeder Hinsicht. In anderen Belangen hegt jedoch der Protagonist selbst Zweifel, zumindest was seine Vergangenheit anbelangt. An einem kommt jedoch niemand vorbei: Joe Haider ist ohne jeden Zweifel ein Original, ein Stilbildner. Einer der wichtigsten deutschen Jazzmusiker der Nachkriegszeit.
»Seit über 60 Jahren bin ich nun als Jazzpianist, Komponist, Arrangeur und Pädagoge unterwegs, und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Ich bin jetzt schon 84, aber immer noch frisch und lebendig!« Eine fürwahr mehr als zufriedenstellende Bilanz, die Haider in diesen bewegten Zeiten ziehen kann. Auch wenn er einräumt: »Aber es klingt wie die Schlussphase oder wie die Verlängerung mit anschließendem Elfmeterschießen, um es im Fußball-Jargon auszudrücken. Trotzdem muss ich sehen, wie ich weitermachen kann. In meiner langen Karriere konnte ich viele Musikerkollegen kennen lernen und an vielen Konzerten als Pianist und Bandleader teilnehmen. Dafür bin ich unendlich dankbar!« Musik bestimmt das Dasein des gebürtigen Darmstädters mehr als alles andere. Sie war für ihn allzeit Triebfeder, Lebenselixier, emotionaler Schwamm, Weggefährtin, Liebhaberin, Ausrede und Artikulationsmöglichkeit in einem, immer präsent, in guten wie in schlechten Tagen. Haider hat einen Pakt auf Lebenszeit mit ihr geschlossen, von dem Tag an, als er entschied, sich mit Haut, Haaren und Seele dem Jazz zu verschreiben. Wenn dieser amerikanische Kulturimport im deutschsprachigen Raum heute einen durchaus eigenständigen Klang besitzt, dann liegt dies auch an einem wie ihm.
Im legendären Jazzclub »domicile« in München traf Joe als Hauspianist Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre auf jeden, der im internationalen Jazz Rang, Namen und eine zündende Idee hatte: Nathan Davis, Booker Ervin, Benny Bailey, Johnny Griffin, Philly Joe Jones, Joe Newman, Klaus Doldinger, Leo Wright, Peter Trunk, Dusko Goykovich, Pierre Favre, Klaus Weiss, Don Menza, Manfred Schoof, Mark Murphy, Hans Koller. Trotz einer Karriere, die mehr einer Achterbahn glich und einem Tonträgermarkt, der sich immer mehr den Gesetzen des kommerziellen Erfolges auslieferte, veröffentlichte er immer wieder Platten von geradezu bewundernswerter Konstanz und Konsequenz. Doch fast noch wertvoller einzuschätzen sind seine Verdienste um die Ausbildung talentierter Jazzmusiker. 1974 gründete Joe Haider in München die Munich Jazz School, von 1984 bis 1995 leitete er in seiner Schweizer Wahlheimat die Swiss Jazz School in Bern. Überall scharte er eine Unzahl talentierter Musiker um sich, um ihnen beizubringen, was er von anderen gelernt hatte.
Dass nun mit seiner aktuellen CD »As Time Goes By« ein einerseits nostalgischer, andererseits auch optimistischer Blick, quasi im 360-Grad-Winkel erfolgt, entspringt einem lebenslangen Kreativ-Reflex. Dabei läutet Haider mit seinem neuen Sextett nach eigenen Worten »meine letzte Phase in der Musik« ein. Diesen Schritt geht er mit einer Band, bestehend aus drei Generationen und durchwegs guten Freunden: »Zuerst die Oktogener, Heinz von Hermann und Joe Haider, dann Johannes Herrlich und Bert Joris, die Ende Fünfzig, Anfang Sechzig sind, und schließlich die beiden ›Jugendlichen‹ Raffaele Bossard und Dominic Egli, bei Ende Dreißig. Sie sorgen für den nötigen Drive.«
Von Bert Joris stammen der Opener »Magic Box« und »Benoit«, wobei Haider Letzteres als sein Lieblingsstück bezeichnet. Heinz von Hermann schrieb den Blues »A Blow For Joe«, Johannes Herrlich steuerte »Hot Summer In Vienna« bei und der Chef selbst frönte wieder einmal seiner Leidenschaft für Jazzwalzer in Gestalt von »Only For You« und »District West«. Das alte Schlachtross »As Time Goes By« von Hermann Hupfeld sowie »But So Far« aus der Feder des im November 2019 verstorbenen Schweizer Saxofonisten, Pianisten und alten Weggenossen Andy Scherrer runden dieses zeitlose schöne, famos swingende und bemerkenswert vitale Album ab.
»Ich habe mich sehr gefreut, dass diese fabelhaften Jazzmusiker und Solisten für dieses Projekt zur Verfügung standen«, betont ein rundum glücklicher, stolzer und altersmilder Joe Haider. Und die Fans dürfen sich über das Resultat freuen: Ein echter Haider mit allen bekannten Ecken, Kanten und vielen Preziosen!
Die Produktion soll eine Homage an den grossen amerikanischen Pianisten Bill Evans sein.
09.08.23 - 20:30 Uhr
Jazzkonzert im Birdseye, Basel
10.08.23 - 20:30 Uhr
Jazzkonzert im Birdseye, Basel
11.08.23 - 20:30 Uhr
Jazzkonzert im Birdseye, Basel
12.08.23 - 20:30 Uhr
Jazzkonzert im Birdseye, Basel
25.07.23 - 19:30 Uhr
Jazzkonzert Brillenbühne, Bern
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Jazzkonzert in der reformierten Kirche Küsnacht (ZH)